Was hat es mit den Rauhnächten auf sich?
Die Rauhnächte und die Rituale, die es rund um die Zeit zwischen Heilig Abend und Heilig Drei König gibt, scheinen gerade allgegenwärtig zu sein – und den Nerv der Zeit zu treffen in unserem schnelllebigen Alltag.
Heutzutage geht es natürlich weniger darum, böse Geister zu vertreiben, sondern vielmehr darum innezuhalten, zur Ruhe zu kommen und sich zu besinnen und zu reflektieren: Was hat mir das Jahr gebracht? Was wünsche ich mir fürs kommende Jahr?
Es gibt viele Möglichkeiten, die Rauhnächte und ihren Zauber für sich zu nutzen. Wir wollen euch in diesem Beitrag kurz erklären, was die Rauhnächte sind, welche Mythen und Legenden es gibt und welche Rituale davon bis heute geblieben sind – und einen Anstoß geben, diese magische Zeit zu nutzen, um zu reflektieren und das neue Jahr zu planen.
Was sind die Rauhnächte?
Die Rauhnächte bezeichnen die Zeit „zwischen den Jahren“ und gehen (meist) von Heilig Abend bis Heilig Drei König. Diese zwölf Tage sind die Differenz zwischen dem gregorianischen Sonnenkalender mit 365 Tagen und dem keltischen Mondkalender, der zwölf Tage weniger hatte.
In dieser Zeit, die als nicht greifbar und unsicher galt, glaubte man, dass die Tore zur Jenseitswelt offen standen. Die Tage waren kurz, die Nächte lang und dunkel – und die Menschen fühlten sich den unsichtbaren Bedrohungen durch Hexen, Dämonen, Geistern und zerstörerischen Winden ausgesetzt. Noch vor wenigen Generationen gab es kein elektrisches Licht, eine Zentralheizung oder gar einen Fernseher – und Alt und Jung trafen sich während der dunkelsten Stunden in der Stube, erzählten sich Geschichten und nahmen sehr genau wahr, was da um sie herum passierte, auf dem Weg vom alten ins neue Jahr.
Woher kommt der Begriff „Rauhnacht“?
Die Bezeichnung „Rauhnacht“ könnte von der „rauen Percht“ kommen – das ist eine der Schreckensfiguren der Rauhnächte, mit der man vor allem den Kindern gedroht hat. “Rau” bedeutet in diesem Zusammenhang „wild“ oder „fellbekleidet, haarig“.
Das Wort “Rauhnächte” könnte aber auch eine Kurzform von „Rauchnächte“ sein. In den Nächten zwischen den Jahren wurde in Haus und Hof mit magischen Kräutern geräuchert. Bis heute hat sich diese Tradition vor allem für den Vorabend des Dreikönigstags gehalten. Man zog dabei von Raum zu Raum, und der Rauch sollte in jeden Winkel des Hauses dringen und so die bösen Geister vertreiben.
Andere Bezeichnungen für die Rauhnächte sind die Zwölften, Zwölfnächte, Wolfsnächte, die Zeit außerhalb der Zeit oder einfach die Zeit zwischen den Jahren.
Was passiert in den Rauhnächten?
Früher galten die Rauhnächte als Geisterzeit, als Losnächte, als Orakel für die Zukunft und vor allem für das kommende Jahr.
Jede Rauhnacht beziehungsweise jeder der zwölf Tage steht für einen Monat im kommenden Jahr. Von den einzelnen Tagen wurde z.B. das Wetter abgeleitet, und auch die Träume in den zwölf Nächten sollten sich in den zwölf Monaten des kommenden Jahres bewahrheiten. Das Bleigießen, das ja auch die Zukunft vorhersagen soll, ist als Silvestertradition aus den früheren Rauhnächten geblieben
Geschichten, Legenden, Sagen rund um die Rauhnächte
In der Zeit zwischen den Jahren ist das Wetter oft ungemütlich, und starke Winde fegten übers Land: Wilde Jagd, so wurden die winterlichen Stürme während der Rauhnächte genannt. Früher mussten die Menschen voller Angst in ihren dunklen Häusern, lediglich beleuchtet von flackernden Kerzen, zusammenrücken. Die Alten erzählten Geschichten: Von der Wilden Jagd, ihrem Anführer Wotan und seiner Frau Berchta. Ihnen folgten geisterhafte Männer und hexenartige Frauen. Nach 18 Uhr durfte niemand mehr das schützende Haus verlassen, denn wer der Wilden Jagd draußen begegnete, konnte nur eines tun: sich bäuchlings auf den Boden werfen, Arme und Beine kreuzweise verschränken und beten. Wen sie erwischte, den riss sie hoch in die Luft und ließ ihn dort fallen, wo das Überleben ungewiss war – im Chiemgau in die dunklen Fluten des Chiemsees. Es gibt – je nach Region – unzählige Mythen und Geschichten rund um „‘s wuide Gjoad“, wie die Wilde Jagd im Chiemgau auch genannt wurde. Rund um die schaurige Frau Percht und die Wilde Jagd und was mit denjenigen passiert, die sich ihr aussetzten, gibt es unzählige Geschichten.
Verbote in den Rauhnächten
Nach dem abendlichen Gebetsläuten durfte niemand mehr das Haus verlassen, der Stall und die Tiere mussten versorgt sein. Außerdem durfte während der Rauhnächte nichts verliehen werden – zu groß war die Gefahr, dass man es verhext zurückbekommt. Es durfte nicht gewaschen werden und es durfte nichts im Freien aufgehängt werden, da sich sonst unsichtbare Dämonen darin verfangen konnten, die dann mit der Wäsche ins Haus getragen wurden. Nägel und Haare duften nicht geschnitten werden, sonst bekäme man „böse Finger“ und Kopfweh, so hieß es. Das sind nur ein paar Beispiele für Verbote, die während der Rauhnächte galten.
Rituale in den Rauhnächten
Bei vielen Ritualen ging es darum, die eigene Angst zu besiegen oder böse Geister zu besänftigen. Bei anderen ging es darum, die schützenden und guten Geister oder die Seelen der Verstobenen gütig zu stimmen. Vielen von diesen ritualisierten Handlungen liegt eine tiefe Symbolkraft zugrunde – die mit unserem modernen Weltbild nicht ohne weiteres vereinbar ist.
Was geblieben ist, sind zum Beispiel Rauhnachtsbräuche, nach denen im Haus für Ordnung zu sorgen ist, Schulden beglichen werden müssen oder auf Glücksspiele verzichtet werden muss.
Das Räuchern mit verschiedenen Räuchermischungen aus getrockneten Kräutern ist wohl derjenige Brauch, den die meisten in Verbindung mit den Rauhnächten kennen und der auch am weitesten verbreitet ist. Jedes Kraut oder Harz soll dabei eine bestimmte Wirkung erzielen – und so sind den einzelnen Rauhnächten auch bestimmte Kräuter und bestimmtes Räucherwerk zugeordnet.
Beim “Ritual der 13 Wünsche” geht es darum, 13 positiv formulierte Wünsche (“Ich wünsche mir…”) für sich selbst für das neue Jahr aufzuschreiben. Die 13 Zettel werden zusammengerollt oder gefaltet und in jeder Rauhnacht wird ein Zettel in einer feuerfesten Schüssel verbrannt und so symbolisch dem Universum übergeben. Rauhnachtsbegeisterte empfehlen, die Zettel mit den Wünschen nicht in einem Holzofen zu verbrennen: Denn sie könnten irgendwo im Kamin hängen bleiben und nicht ihren weg ins Universum finden. Die zwölf Wünsche stehen für die zwölf Monate des Jahres: Der Wunsch der ersten Rauhnacht erfüllt sich im ersten Monat, der Wunsch der zweiten Rauhnacht im zweiten Monat und so weiter. Am Ende bleibt ein Zettel übrig – dieser Zettel wird nicht verbrannt, denn um diesen Wunsch muss man sich im kommenden Jahr dann selbst kümmern. Das Ritaul der 13 Wünsche mutet schon ein bisschen mystisch an – aber eigentlich geht es im Kern darum, sich mit seinen eigenen Wünschen und Ausrichtungen für das kommende Jahr zu beschäftigen.
Wie schaut euer persönliches Rauhnachtsritual aus?
Literatur:
Kirschgruber, Valentin: Das Wunder der Rauhnächte: Märchen, Bräuche und Rituale für die innere Einkehr. Kailash 2013.
Köhler, Tanja: Rauhnächte: 12 Tage nur für dich. Klarheit schaffen, loslassen und Neues wagen. Knesebeck 2024.
Steinbacher, Dorothea: Wenn’s draußen finster wird: Bräuche und Legenden für die Winterzeit. Mit Rezepten zur Winterzeit. Kösel 2020.